Zuckermarktordnung

Wie in den meisten wichtigen Erzeugerländern der Erde wird auch in der Europäischen Union der Markt für Zucker in einer Marktordnung geregelt.

Seit ihrem Inkrafttreten am 21. Dezember 1967 wurde die Zuckermarktordnung wiederholt geändert und angepasst; in ihren Grundzügen blieb sie dabei jedoch unverändert und bildete über nahezu ein halbes Jahrhundert eine solide Basis für Zuckerrübenanbauer und Zuckerindustrie in Europa. In der bis 30. September 2017 gültigen Marktordnung war festgelegt, dass die Zuckererzeugung der EU auf der Basis einer den Mitgliedstaaten zugeteilten Zuckermenge („Quote“) erfolgt. Zweck dieser Regelung war es, die Rahmenbedingungen für stabile Märkte zu schaffen und damit die Versorgungssicherheit für Erzeuger und Verbraucher zu gewährleisten.

2006 wurde eine erste tiefgreifende Reform der Zuckermarktordnung eingeleitet, die zu einer drastischen Senkung der Preise und Erzeugungsmengen führte und den EU-Zuckersektor damit vor große Herausforderungen stellte. Durch die Marktordnungsreform wurde die europäische Zuckerwirtschaft gezwungen, ihre Produktion drastisch einzuschränken. Die EU wurde so vom Netto-Exporteur zum Netto-Importeur. Die grundlegenden Pfeiler der Marktordnung – Quoten und Mindestpreise – blieben jedoch zunächst erhalten.

Am 26. Juni 2013 wurde durch den EU-Agrarrat und das EU-Parlament auf Vorschlag der EU-Kommission die neue Agrarpolitik für den Zeitraum 2014 bis 2020 auf den Weg gebracht. Für Zucker wurde dabei eine Entscheidung von historischer Bedeutung getroffen, nämlich die Abschaffung der Quotenregelung sowie des regulatorisch festgeschriebenen Rübenmindestpreises ab dem Jahr 2017. Die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik getroffenen Beschlüsse traten am 1. Januar 2014 mit der Verordnung 1308/2013 in Kraft. Somit war die Kampagne 2017/18 die erste Kampagne, die unter den Rahmenbedingungen der neuen Zuckermarktordnung stattfand.

Kernelemente der aktuellen Marktordnung

Die seit dem 1. Oktober 2017 geltenden zuckerspezifischen Regelungen innerhalb der EU-Agrarpolitik sehen folgende Regelungen vor:

  • Präferenzeinfuhren aus verschiedenen Ländern, darunter unbeschränkte zollfreie Importe aus den am wenigsten entwickelten Ländern und den AKP-Staaten sowie zollfreie oder zollreduzierte Einfuhrkontingente im Rahmen von Freihandelsabkommen
  • Für Einfuhren aus sonstigen Drittländern gilt der Regelzollsatz (Außenschutz)
  • Möglichkeit einer Beihilfe zur privaten Lagerhaltung
  • Entscheidung durch die Europäische Kommission unter Berücksichtigung der Referenzschwellenwerte für Weiß- und Rohzucker
  • Verpflichtung zum Abschluss von Branchenvereinbarungen zwischen Rübenanbauern und Unternehmen der Zuckerindustrie
  • Offizielle Preisberichterstattung der EU-Kommission

Wegfall wesentlicher Marktordnungselemente

Seit dem 1. Oktober 2017 sind als wesentliche Elemente der EU-Zuckermarktordnung die EU-Quoten für Zucker (13,53 Mio. t) und Isoglukose (0,72 Mio. t) sowie die Mindestpreise für Quotenrüben entfallen. Ebenso entfallen ist die Produktionsabgabe für Zucker bzw. Isoglukose, die bisher auf die zugeteilten Quoten der Zuckerhersteller erhoben wurde.

Referenzschwelle ersetzt Referenzpreis

Neu ist seit 2017 der Begriff der „Referenzschwellenwerte“, die als Orientierung für die Zahlung einer Beihilfe zur privaten Lagerhaltung dienen, falls es zu einer ernsten Marktkrise kommen sollte. Sie liegen bei 404,40 Euro pro Tonne Weißzucker und 335,20 pro Tonne Rohzucker. Allerdings wurde die private Lagerhaltung, die auch die bisherige Marktordnung als mögliche Maßnahme bereits vorgesehen hat, bislang noch nicht angewendet.

EU-Maßnahmen nur bei „ernsten Marktstörungen“ vorgesehen

Exporterstattungen soll es nur noch in Krisenfällen geben. Regelungen für Krisenmaßnahmen bieten der Europäischen Kommission bei ernsten Marktstörungen (z.B. Preisverfall) die Möglichkeit, Sofortmaßnahmen zu ergreifen.

Weiterhin Verpflichtung zu Branchenvereinbarungen und Preisberichterstattung

Vorgesehen sind zudem verpflichtende Branchenvereinbarungen zwischen Anbauern und Zuckererzeugern zu Bedingungen für den Kauf von Zuckerrüben einschließlich Lieferverträgen. Das Preisberichterstattungssystem mit Meldepflichten der Zuckererzeuger und des Zuckerhandels wurde beibehalten.

WTO-Exportbeschränkung entfällt

Aufgrund einer WTO-Vereinbarung waren der EU unter den alten Marktordnungsbedingungen nur Exporte im Umfang von rund 1,37 Mio. t bzw. rund 514 Mio. € gestattet. Unter der aktuellen Marktordnung besteht diese Exportbeschränkung für Zucker nicht mehr.

Außenschutz bleibt grundsätzlich erhalten

Der Zoll auf nicht-präferenzielle Zuckerimporte (d.h. Importe aus Drittländern, mit denen keine Präferenzregelung besteht) ist auf unverändertem Niveau erhalten geblieben. Er beträgt 419 Euro pro Tonne Weißzucker und 339 Euro pro Tonne Rohzucker.

Zahlreiche Länder mit präferenziellem Zugang in die EU

Es bestehen allerdings vier verschiedene Importschemata mit Vorzugsbehandlung, also präferenziellem Zugang in die EU:

  • Die Entwicklungsländer der Everything-But-Arms-Initiative (EBA) und
  • die Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP)

dürfen unbegrenzt zollfrei Zucker in die EU importieren. Zudem gibt es

  • zollfreie Quoten für die westlichen Balkanstaaten sowie
  • die sogenannten CXL-Quoten für Australien, Brasilien, Indien und Kuba, die zu einem ermäßigten Zollsatz Zucker in die EU liefern können, um sie nach dem EU-Beitritt einiger ihrer traditionellen Handelspartner nicht zu benachteiligen.

Bilaterale und regionale Freihandelsabkommen nehmen weiter zu

Darüber hinaus haben Freihandelsabkommen in den letzten zehn Jahren in der Handelspolitik zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) festgefahren sind. Die EU hält an ihrer Handelspolitik fest und strebt weiterhin den Ausbau des weltweiten Netzes von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten an. Zahlreiche Entwicklungen auf internationaler Ebene haben so in den letzten zwölf Monaten Einfluss auf die europäische Handelspolitik genommen. So trat das Handelsabkommen mit Japan in Kraft. Außerdem hat die EU-Kommission Verhandlungen zur Schaffung eines Freihandelsabkommens mit Mexiko abgeschlossen und mit Australien aufgenommen. Ferner wurden die Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten, Chile, Indonesien und den Mittelmeerländern fortgeführt. Insgesamt können derzeit etwa 100 Länder entweder zollfrei oder zu einem günstigeren Zollsatz ihren Zucker in die EU einführen.

Wettbewerbsverzerrungen zulasten der deutschen Zuckerrübenanbauer

Wettbewerbsverzerrungen außerhalb der EU

Nach der Abschaffung der Quotenregelung sowie des Rübenmindestpreises und durch den bereits seit vielen Jahren geltenden Verzicht auf Exporterstattungen beschränkt sich die Zuckerpolitik der Europäischen Union somit auf den Schutz des Binnenmarktes vor subventionierten Importen aus Drittstaaten und die Beihilfe zur privaten Lagerhaltung. Durch die Beschränkung auf wenige Marktinstrumente sowie die Öffnung des Binnenmarktes für Zuckereinfuhren aus zahlreichen Drittstaaten verfügt die Europäische Union heute über einen der liberalsten Zuckermärkte der Welt.

Gleichzeitig ist leider zu beobachten, dass die größten Weltzuckererzeuger und –exporteure zunehmend die Erzeugung bzw. die Ausfuhr von Zucker subventionieren. Darüber hinaus betrachten diese Länder ihre gesamten Zuckerausfuhren bei der WTO als nicht subventioniert und erlauben sich deshalb, Zucker ohne jegliche Mengenbeschränkungen auf den Weltmarkt zu exportieren. Diese Entwicklung führt zu drastischen Wettbewerbsverzerrungen zulasten u.a. der europäischen Zuckerproduktion.

Schutz vor unfairem Wettbewerb bleibt essenziell!

Alle größten Weltzuckererzeuger und –exporteure subventionieren direkt oder indirekt ihre Erzeugung bzw. ihre Ausfuhren. Diese Beihilfen führen dazu, dass Zucker aus Europa in keinem fairen Wettbewerb mit dem Zucker anderer Länder und Regionen steht. Die daraus resultierende Wettbewerbsverzerrung kann nur durch einen ausreichenden Außenschutz und ein konsequentes Vorgehen gegen diese Wettbewerbsbenachteiligungen in Verhandlungen ausgeglichen werden. Zukünftige Freihandelsabkommen dürfen deshalb nicht zu einer weiteren Öffnung des europäischen Marktes für Zucker und für stark zuckerhaltige Erzeugnisse führen, solange es keinen fairen Wettbewerb gibt. Zudem müssen strenge Ursprungsregeln eingeführt werden, um etwaigen Umgehungshandel zu unterbinden.

Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU durch gekoppelte Zahlungen

Innerhalb der EU selbst stellen gekoppelte Zahlungen für den Rübenanbau eine zusätzliche Herausforderung dar. In 11 von 19 Ländern, in denen Zuckerrüben angebaut werden, erhalten die Landwirte dafür gekoppelte Prämien. Entgegen den europäischen Bestimmungen werden die gekoppelten Zahlungen dabei nicht nur jenen Regionen gewährt, in denen sich der Sektor in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Damit werden Fehlanreize gesetzt, und das eigentliche Ziel der Zuckermarktreform, die Produktion auf die effizientesten Standorte zu konzentrieren, wird verfehlt.

Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU im Pflanzenschutz

Große wettbewerbsverzerrende Unterschiede bestehen auch nach wie vor in der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln. Ein Beispiel innerhalb Europas sind die Notfallzulassungen für Neonicotinoide zur Beizung des Zuckerrübensaatguts, die in zahlreichen EU-Ländern gewährt werden. Zwar wurde zur Anbausaison 2021 aufgrund der dramatischen Ausbreitung der durch Blattläuse übertragenen Virösen Vergilbung erstmals auch in Deutschland eine Notfallzulassung eingeräumt. Diese galt jedoch nur regional für die am stärksten betroffenen Regionen und war zudem an strengste Auflagen geknüpft. Auf zwei Drittel der Anbaufläche musste der Rübenanbau ohne wirksamen Schutz auskommen, wodurch neben den Blattläusen auch Schädlinge wie Drahtwurm, Erdfloh und Rübenrüssler weiter auf dem Vormarsch blieben. Für das Anbaujahr 2022 wurde der Notfallzulassungsantrag der deutschen Rübenanbauer abgewiesen, während beispielsweise in Frankreich die Beize weiter in Gebrauch bleibt.

Die Nichterneuerung von Wirkstoffen im Bereich der Fungizide und Herbizide trifft den Zuckerrübenanbau zusätzlich hart. Die Möglichkeiten des Landwirtes, seine Kulturpflanzen wirksam vor Schädigungen zu schützen, werden damit immer weiter eingeschränkt, was sich gerade jetzt besonders dramatisch vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Klimawandels auswirkt. Denn durch die veränderten klimatischen Bedingungen wird die heimische Pflanzenwelt zunehmend mit neuen Krankheiten konfrontiert, v.a. auch verursacht durch eingewanderte Insekten, für die hier zumeist keine natürlichen Gegenspieler etabliert sind und die sich daher sprunghaft vermehren können.